Was du in diesem Artikel lernst:
- Wie du herausfindest, auf welche Themen du dich konzentrieren sollst.
- Was du in 15 Minuten für die Nachhaltigkeit deines Unternehmens tun kannst.
- Wie du dich dem Thema systematisch weiter näherst.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie. Hier geht es zum ersten Teil.
Womit fängt man denn bei einem so großen Thema an?
Wie geht man Nachhaltigkeit eigentlich im Unternehmen an? Fängt man einfach an Ökostrom zu beziehen und Recycling-Papier zu kaufen? So sehen es scheinbar viele Unternehmen. Leider ist das genau der falsche Weg. Beide Maßnahmen sind nett zum Start, aber auf keinen Fall geeignet deine Nachhaltigkeitswirkung zu verbessern, außer du bist eine Druckerei. Wie finden wir aber als Unternehmen unsere echte Wirkung heraus und dürfen wir uns auf bestimmte Themen konzentrieren? Müssen wir nicht eigentlich über alles berichten und alles messen, wenn wir nachhaltiger werden wollen? Vom Papierverbrauch über unsere Firmenwagen, unsere Geschäftsreisen, unseren Ressourcenverbrauch, welchen Kaffee wir verwenden, wie wir Gehaltsmodelle erstellen und wie unsere Richtlinie für Home Office aussieht? Ich denke es wird klar, dass das gerade zu Beginn zu viel verlangt wäre. Viele Unternehmen machen aber genau das. Sie engagieren eine Agentur, berichten über möglichst viele kleine Einzelteile und legen das Thema Nachhaltigkeit zu den Akten. So funktioniert es leider nicht.
Unternehmen sind sehr unterschiedlich. Produzierendes Gewerbe mit Schichtbetrieb unterscheidet sich grundlegend von IT-Entwicklungsfirmen oder einem kleinen Betreiber von Schwimmbädern. Während das Produktionsunternehmen vielleicht sehr auf Arbeitssicherheit, die Gesundheit der Beschäftigten und die verwendeten Ressourcen achten sollte, muss eine IT-Firma sich fragen: Was wird mit unserem Code gemacht? Wie effizient läuft er? Können wir Strom sparen, indem unser Code optimiert wird? Der Schwimmbadbetreiber sollte vielleicht auch seine Energiebilanz achten und möglichst wenig Chemikalien zur Wasserreinigung verwendet. Diese stark vereinfachten Beispiele zeigen dir, dass die wesentlichen Themen sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Dieser Begriff – Wesentlichkeit – ist hier das Stichwort. Wesentliche Nachhaltigkeitsthemen sind solche, die hohe Nachhaltigkeitswirkungen haben und von den Anspruchsgruppen bzw. Stakeholdern als wichtig eingestuft werden. Wer sind diese Stakeholder? Alle, die von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens heute und in Zukunft maßgeblich betroffen sind.
Wie funktioniert eine solche Wesentlichkeitsanalyse jetzt in der Praxis? Wir nutzen hierfür eine Wesentlichkeitsmatrix der Global Reporting Initative:
Auf der x-Achse wird die Nachhaltigkeitswirkung deines Unternehmens aufgetragen und auf der y-Achse die Stärke des Einflusses auf die Beurteilungen und Entscheidungen deiner Stakeholder.
Das klingt erstmal sperrig. Einfach gesagt: Je stärker die Nachhaltigkeitswirkung (ökologisch, ökonomisch oder sozial) eines Aspektes ist, desto weiter rutscht der Aspekt nach rechts. Je mehr er deine Stakeholder beeinflusst, nach oben. Soweit so einfach. Aber wie kommen wir überhaupt zu den einzelnen Aspekten? Durch Nachdenken, Recherche und Fragen. Also eigentlich wie sonst auch im Geschäftsleben. Oder du nutzt meine vorgefertigen Listen, aber dazu später mehr.
No-Go: Was gerne gemacht wird, aber kolossal falsch ist: Es wird von relevanten Geschäftsfeldern gesprochen. Hier wird versucht den Mechanismus der Wesentlichkeit auszuhebeln. Es nutzt nichts, es fällt allen Profis auf, die euren Bericht lesen sollten und es ist einfach nur lächerlich die Regeln so stark zu beugen.
Du siehst an den Wörtern „maßgeblich“ und „stark“, dass es sich hier nicht um absolut messbare Dinge handelt. Es geht bei der Wesentlichkeit immer um eine aktuelle Einschätzung. Diese kann aber mehr oder weniger fundiert getroffen werden. Angefangen bei einer Selbsteinschätzung über tagelange Recherche bis hin zu Stakeholder-Interviews ist die Messlatte nach oben offen. Ich habe mir zu diesem Thema aber Gedanken gemacht und einen 15-Minuten-Sprint entworfen, mit welchem du einfach jetzt beginnen kannst. Voraussetzung dafür sind die Grundlagenartikel zur Nachhaltigkeit, ein Timer, ein Stift und zwei Blatt Papier.
Vorbereitung: Matrix mit vier Feldern zeichnen. Papierschnipsel in ca. Daumengröße zurechtschneiden.
Schritt 1: Nachhaltigkeitsaspekte deiner Unternehmung sammeln. Einfach nachdenken und aufschreiben, was dir so durch den Kopf gegangen ist, wo deine Nachhaltigkeitswirkungen liegen könnten. Ist es ein hoher Energieverbrauch, der dir Sorgen macht, die Gesundheit deiner Beschäftigten oder vielleicht die Produktionsbedingungen in deiner Lieferkette? Brainstorming ohne Schranken: Erstmal alles aufschreiben, was dir einfällt. Schreibe diese Aspekte auf einzelne Kärtchen oder in eine Liste.
Schritt 2: Sortiere die Hälfte der Aspekte (maximal jedoch 10 Aspekte) mit der aus deiner Sicht höchsten Nachhaltigkeitswirkung (positiv oder negativ) in das rechte untere Feld ein. Alle anderen kommen in das linke untere Feld.
Schritt 3: Was würden deine Anspruchsgruppen sagen? Zum Beispiel deine Beschäftigten, Lieferanten, Produzenten, Kunden, zukünftige Generationen, Lobbyverbände, Umweltorganisationen. Welche Aspekte sind für Sie wahrscheinlich am wichtigsten? Diese Frage kannst du sonst auch mit einer zweiten Person diskutieren, die gerade greifbar ist. Gut sind hierfür Menschen, die belesen sind und sich für Politik und Gesellschaft interessieren. Diese Menschen wissen, welche Themen momentan diskutiert werden und was gerade als besonders wichtig angesehen wird. Die für deine Stakeholder wichtigen Aspekte rutschen von den unteren in die oberen Felder.
Fertig.
Herzlichen Glückwunsch! Du hast den ersten Entwurf deiner Wesentlichkeitsmatrix erstellt. Erwarte nicht, dass du in den ersten fünfzehn Minuten die perfekte Wesentlichkeitsmatrix erzeugt hast, aber ich finde, hauptsache man hat einen Anfang gefunden und kann loslegen. Mit einem Entwurf kann man auch leichter diskutieren. Wenn ich einen Entwurf vorlege, bin ich immer bereit noch einmal alles grundlegend zu überarbeiten. Aber dieser erste Aufschlag hat sich immer wieder als das entscheidende Element im Arbeitsprozess erwiesen. Oft warten andere, dass etwas passiert. Liebt ein sichtbares Ergebnis vor, werden die Menschen aktiv. Besonders die Kritiker treten dann gerne auf den Plan. Aber das sollte dich nicht ärgern. Freu dich lieber über das Feedback.
In meinem Handbuch bekommst du einige Vorlagen für deine eigene Wesentlichkeitsanalyse. Außerdem gibt es nach diesem 15-Minuten-Sprint noch mehrere aufeinander aufbauende Varianten, um deine Analyse mit der Zeit immer weiter zu verbessern.
Was hast du jetzt erreicht, außer dass du eine Matrix auf Papier vor dir hast? Du hast dir einen Kompass geschaffen. Und wenn er nur für den nächsten Monat ausreicht, nutzt dir ein solcher Kompass trotzdem. Eine meiner häufigsten Erfahrungen mit Nachhaltigkeit ist, dass die Menschen dazu neigen von einem Thema zum anderen zu springen und sich nicht genügend fokussieren. Fokus ist aber entscheidend für jeden Erfolg und jedes Vorankommen. Und wenn du, was ich vermute, weil du diese Seiten liest, umsetzungsorientiert bist, dann brauchst du diesen Fokus, um loslegen zu können.
Im Folgenden möchte ich noch einmal auf den Umfang einer Nachhaltigkeitsstrategie eingehen, welchen ich mit folgender Frage und einem Beispiel beleuchte:
Die Herstellung meiner Produkte ist sicher das wichtigste, oder?
Ein Gedankenspiel: Du stellst Autos her. Diese bestehen aufgrund ihrer Größe aus 3 Tonnen Material. Die Kundschaft liebt deine SUVs für ihre Sicherheit und das ruhige Fahrgefühl. Für die Speziallacke gibst du zusätzlich ein Vermögen aus und die Heizkosten der Lackierungsanlage sind enorm. Als Nachhaltigkeitsmaßnahme nutzt du selbst erzeugte Wärme aus einem neu angeschafften Blockheizkraftwerk und du nutzt für die Herstellung der Autos recycelte Metalle und Kunststoffe. Reifen werden geschreddert und wieder im Kreislauf geführt, du kompensierst deine Emissionen vollständig und sogar eine Eigenentwicklung für den Innenausbau hast du bewirkt: CO2 wird der Atmosphäre entzogen und in einem Kunststoff-Naturfaser-Gemisch gebunden, so dass deine Autos zu einer Kohlenstoff-Senke werden. Du schonst so bei der Produktion unterm Strich sogar das Klima. Leider funktioniert die Welt so nicht. Ich denke jedem wird hier klar werden, wo der Knackpunkt liegt: Die Verantwortung für dein Produkt endet nicht an deinem Werkstor. Ein Drei-Tonnen-Auto verbraucht enorme Mengen Sprit, nutzt besonders viel Fläche im Straßenraum und erzeugt natürlich extrem hohe individuelle Emissionen. Auch wenn der Produktionsprozess vielleicht noch 20% der Umweltauswirkungen ausmacht, geht der Großteil dieser Einflüsse auf die Nutzungsphase zurück. Anders ist dies vielleicht bei Gütern, für deren Nutzung keine Energie notwendig ist, aber auch das möchte ich nicht pauschalisieren. Dafür sind Lebenszyklen zu unterschiedlich und mit zu vielen Abhängigkeiten bedacht.
Hier trägst du als Produzent/-in eine Verantwortung. Du hast das Auto [dein Produkt oder deine Dienstleistung] auf den Markt gebracht und beworben. Ausreden wie „Der Markt will aber große Autos!“ ziehen aus meiner Sicht nicht.
Genauso wie wir beim Nachhaltigkeitsansatz generell unsere Zielgruppen um zukünftige Generationen erweitert haben, so müssen wir auch bei der Betrachtung unserer Produkte und Dienstleistungen über unseren Tellerrand hinausschauen. Die Entwicklungen und Verflechtungen sind heute nur noch global zu betrachten und zu verstehen. Klimaschutz, Biodiversität, Menschenrechte, Umweltschutz – diese Themen stehen alle für einen großen Wandel, der uns als Unternehmer/-innen bevorsteht. Wenn deine Produkte diesen neuen Anforderungen nicht gerecht werden, können sie die Zeit nicht überdauern.
Leider klammern viele Unternehmen ihre Produktentwicklung bei den eigenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen aus. Genau hier würde es ihnen aber nutzen, indem sie sich aktiv auf die Zukunft vorbereiten können. Und nicht alle Unternehmen haben das Glück Kohlekraftwerke zu betreiben oder Autos herzustellen und damit als quasi unantastbar zu gelten. Du solltest dir daher früh genug Gedanken über die Zukunftsfähigkeit deiner Produkte machen. Welche Menschen sind entlang der gesamten Wertschöpfungs- sowie Lieferkette und entlang des Lebenszyklus von deiner Arbeit betroffen, in welchem Ausmaß und mit welcher Wirkung?
Wie legst du jetzt los?
Du hast jetzt einen Überblick deiner wesentlichen Aspekte und weißt einiges über Nachhaltigkeit. Wahrscheinlich möchtest du jetzt direkt loslegen und an der Nachhaltigkeitsstrategie deines Unternehmens feilen. Aus meiner Sicht gibt es hierfür nur eine Möglichkeit: Du musst systematisch an das Thema Nachhaltigkeit herangehen. Flickwerk und Aktionismus bringt dich nicht weiter, da das Thema zu komplex ist. Trotzdem haben wir alle zu wenig Zeit für die Randthemen. Nachhaltigkeit sollte kein Randthema sein, ist es aber oft. Wir leben nunmal in einer nicht perfekten Welt und haben unsere Unternehmen gegründet, bevor wir uns eingehend mit dem Thema beschäftigt haben und würden jetzt zwar gerne Nachhaltigkeit integrieren, finden aber die Zeit nicht. Leider bringt dich eine einmalige Hau-Ruck-Aktion nicht weiter. Ich habe dafür eine Lösung entwickelt. Teile davon hast du schon ausprobiert. Im Kern geht es um ein aufeinander aufbauendes System aus kleinen Teilbereichen. Durch die Führung entlang meines Mini-Managementsystems mit Null-komma-null-Organisationsaufwand kannst du dich langsam an das Thema Nachhaltigkeit herantasten. Der nächste Schritt wird dir immer vorgekaut und du kannst dich ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren. Ich schätze einer der Punkte, warum du bis zu dieser Stelle gelesen hast, ist, dass du auf meiner Seite alle Informationen mundgerecht aufbereitet findest und nicht aus tausenden Quellen zum Thema Nachhaltigkeit recherchieren musst. Ich versuche hier auch meinem Anspruch gerecht zu werden, eine wirklich von jedem verstehbare Webseite zum Thema Nachhaltigkeit zu erstellen.
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Ausblick
Der Newsletter liefert dir noch einige kostenlose Übungen aus meinem Handbuch. In diesem findest du alle nötigen Vorlagen zusammengetragen, um ohne einen weiteren Gedanken an das System einfach erstmal loszulegen. Du etablierst kein großes System, keine riesige Struktur oder veränderst Prozesse. Es geht direkt inhaltlich und praktisch los. Denn ich bin der festen Überzeugung, ein Thema wie Nachhaltigkeit kann und soll Spaß machen. Erinnerst du dich, wie viel Spaß du beim Planen deines Unternehmens hattest? Wie viel Freude es macht, etwas zu gestalten und umzusetzen? Diese Energie wird mit meinem Handbuch auch auf den Bereich Nachhaltigkeit übertragen. Ich habe mir wirklich viele Gedanken für einen einfachen Einstieg und einen stufenweisen Aufbau gemacht. Die Ergebnisse kannst du gebündelt hier sehen:
– Ende –
Ich hoffe, dir hat der Artikel gefallen! Wenn du es so weit geschafft hast, hast du hoffentlich ein paar Impulse mitgenommen. Wie immer gilt: Ich freue mich über positives sowie kritisches Feedback zu meinen Beiträgen. Schreib mir gerne direkt jetzt eine Mail an nils [at] nachhaltigkeit-verstehen.de