Nachhaltigkeit im Alltag

Was du in diesem Artikel lernst:

  • Welche Bereiche sind für die private Nachhaltigkeits-Wirkung wirklich wichtig?
  • Was sind deine Einflussmöglichkeiten?
  • Wo findest du gut recherchierte Inhalte und weiterführende Literatur zum privaten Nachhaltigkeitsengagement?

Vielleicht ist „Nachhaltigkeit im Alltag“ nicht das Kern-Thema dieser Webseite, aber das Thema ganz ausklammern möchte ich nicht. Denn in den Medien existiert so viel Halbwissen und Nicht-Wissen, dass ich diesen Bereich nicht ganz brach liegen lassen kann.

Wenn man sich die Medien in den letzten Jahren anschaut, könnte man denken, dass es ein sehr großes Umweltproblem gibt: Plastik. Recycling, Reduktion und Alternativen sind überall zu finden und um diesen Bereich hat sich eine extrem große Industrie angesiedelt. Bitte nicht falsch verstehen – Plastik-Reduktion und -Recycling ist wichtig – ABER: Für uns in Deutschland mit halbwegs funktionierender Sammlung von Müll ist es kein so eklatantes Problem, wie es dargestellt wird.

Fehlgeleiteter Aktionismus

Alternativen sind leider auch nicht ganz unkritisch: Oft wird der Umwelteinfluss gar nicht gemessen, es werden keine Lebenszyklus-Analysen erstellt und es wird einfach behauptet „Ohne Plastik = besser“. Das Problem ist aber, dass auch andere Verpackungsformen einen Umweltschaden verursachen. So braucht z.B. die Herstellung einer Metalldose oder eines Einweg-Glases enorm viel Energie. Sehr gut schneiden hingegen sortenreine Plastikfolien und Verbundkartons (z.B. Tetrapak) ab. Am besten ist immer noch Mehrweg – also das Wiederverwenden von Glas- und Metallverpackungen. Hier sollte jedoch bedacht werden, dass diese Verpackungen auch sehr schwer sind und so beim Transport höhere Emissionen verursachen. Wie immer bei der Nachhaltigkeit, gilt es hier genau hinzuschauen und nicht blind den Herstellerversprechen zu glauben. Die Quellen zu diesem Abschnitt eignen sich, tiefer in das Thema einzusteigen. Aber wenn die Medien uns kein guter Leitstern für unsere private Nachhaltigkeitsbilanz sind, was dann?

Planetare Grenzen von Rockström et al. (2009)

Es gibt zum Glück zumindest für die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit eine gute Orientierungsgröße: Die Arbeit von Rockström et al., welche mehrfach aufgegriffen und verbessert wurde. Generell ist das Prinzip der planetaren Grenzen aber sehr anerkannt. Hierbei werden planetare Belastungsgrenzen definiert und mittels Zahlen, Daten und Fakten versucht, möglichst genau einzuschätzen, wie nah man diesen Belastungsgrenzen ist. Als Lektüre empfehle ich den Wikipedia-Artikel zu diesem Konzept. In der folgenden Grafik sieht man sehr deutlich in welchen Bereichen wir klar über den Belastungsgrenzen liegen:

  • Artensterben
  • Phosphor- und Stickstoff-Kreislauf (auch Dünger-Problematik genannt)
  • Abholzung und andere Landnutzungsänderungen
  • Klimakrise

Es gibt einige Unwägbarkeiten, bei denen momentan noch nicht abgeschätzt werden kann, wie nah wir der Grenze sind oder wie weit wir sie sogar schon überschritten haben. Schau dir die Grafik und den Artikel an, wenn dich die Inhalte tiefergehend interessieren.

Eins wird klar: Unser Fokus auf Plastik ist ein eher egoistischer. Die Debatte entstand aus meiner Sicht auch maßgeblich durch die Belastung von Plastik mit BPA und anderen Schadstoffen. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann sollten wir die drei oben genannten Probleme mit höherer Dringlichkeit angehen. Wir stürzen uns jedoch auf eine deutlich kleinere Sache – und das ist nur menschlich, denn alles, was wir uns wünschen, ist ein bisschen Kontrolle über unser Leben. Da fällt es schwer das Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Artensterben oder der Klimakrise auszuhalten. Außerdem ist der Verzicht auf Plastik direkt sichtbar. Der Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter ist eine eher schnöde Tätigkeit.

Aber es gibt zum Glück einige gute Lösungen, die bereits begonnen haben als soziale Innovationen Fuß zu fassen und immer mehr in den Mainstream drängen:

Artensterben und die Phosphor- und Stickstoff-Problematik werden teilweise durch den Ökolandbau gelöst. Bio ist nicht sehr viel gesünder für dich – aber viel gesünder für den Planeten. So werden Lebensräume geschützt, die Biodiversität wird gegenüber dem konventionellen Landbau erhöht und Böden werden vor weiterem Schaden bewahrt, was besonders wichtig ist, denn Boden ist eine sich nur sehr langsam erholende Ressource. Unsere Böden sind z.B. ca. 10.000 Jahre alt. Und damit sind nur die oberen 30 cm gemeint. Mehr zum Thema Boden.

Die erwähnten Ökostrom-Anbieter sind auch eine solche technologische und soziale Innovation. Und damit meine ich echte Ökostrom-Anbieter, die wirklich in neue Anlagen investieren wie bspw. naturstrom, Greenpeace-Energy oder EWS Schönau. Diese entstanden als Gegenpol zu den großen Energiekonzernen, die sich nicht bewegen wollten.

Es gibt nachhaltige Banken wie die Umweltbank, GLS Bank, Triodos, Ethikbank et cetera. Denn jeder Euro auf dem Konto und jede bezahlte Gebühr an eine Bank ist eine Entscheidung für deren Geschäftsmodell. Auch wenn dies stark auf CO2-intensiven Branchen und nicht-nachhaltigen Praktiken basiert. Ebenso kannst du in nachhaltige Finanzprodukte investieren. Mittlerweile gibt es auch nachhaltige Fonds und ETFs. Es gibt sogar solche, die speziell in weniger CO2-intensive Unternehmen investieren. Mehr Tipps und Links gibt es weiter unten.

Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit

Im Textilbereich stehen die Arbeitsbedingeungen in anderen Ländern schon länger unter Beobachtung. Hier haben sich mittlerweile größere Initiativen gebildet, die sich mit fairer und nachhaltiger Mode beschäftigen wie z.B. die Fair Wear Foundation (Siegelvergabe) oder goodonyou, ein Bewertungsverzeichnis von Modeunternehmen.

Aber für jedes Produkt gilt: Die Bedingungen, unter denen produziert wird, gestalten maßgeblich die Nachhaltigkeitswirkung des Produktes mit. Hat das Unternehmen eine gute Mitarbeiterpolitik? Werden Betriebsräte zugelassen? Gibt es Verstöße gegen die ILO-Kernarbeitsnormen? Oft reicht eine kurze Recherche auf der Wikipedia-Seite des Unternehmens, ob es sich hier um ein besonders schwarzes Schaf handelt. Subtileres, vielleicht sogar branchenübliches schlechtes Verhalten gegenüber Anspruchsgruppen und Mitarbeiter/-innen zeigt sich dort jedoch nicht.

Die oben gezeigten sozialen Innovationen enthalten neben der technologischen Komponente auch immer eine soziale. Wer hätte es gedacht? Diese Webseite wird bspw. bei dem Webhoster manitu gehostet. Dieser legt Wert auf Umweltschutz und ein gutes Arbeitsklima. So gibt es bspw. keinen Wochenend-Support, wenn man nicht extra dafür zahlt. Ein gutes Konzept, wie ich finde. Die meisten Probleme haben Zeit und niemand soll wegen mir unbedingt am Wochenende arbeiten müssen – wenn nicht unbedingt nötig.

Die GLS Bank, die Ökostrom-Anbieter und viele Bio-Produzenten sind im Herzen sozial. Bei letzteren kann man immer öfter eine soziale Innovation beobachten – die solidarische Landwirtschaft. Im Prinzip geben die Kunden dem Betrieb eine Abnahmegarantie für ein Jahr. Dabei gibt es eine solidarische Komponente, bei der finanzstarke Haushalte mehr zahlen. Außerdem legt der Produzent Kosten offen und gewährt Einblick und Mitspracherecht in seine Produktion. Das wirkt Dumpingpreisen entgegen und schafft Vertrauen.

Generell gibt es jedoch einen großen Trend zur prekären Beschäftigung. Die „ökonomischen Zwänge“ führen auch bei großen Unternehmen zu Leiharbeit, befristeten Verträgen und Auslagerung an Subunternehmen. Wenn du diesen Trend nicht unterstützen möchtest, such dir alternative Anbieter. Diese Veränderung braucht Zeit und man muss ein wenig im Netz recherchieren.

Was kann ich konkret tun?

Hierzu empfehle ich dir diesen Guide für nachhaltigen Konsum. Dort wird u.a. vieles empfohlen, dem ich absolut zustimme und besonders wichtig finde: Es geht nicht nur um anderen Konsum, sondern vor allem um reduzierten Konsum.

Eine Ergänzung aus der Wissenschaft habe ich aber noch: Das Thema Wohnen hat einen enormen Einfluss auf eure Ökobilanz. Die Baustoffe, die verwendet werden, um Häuser zu bauen, sind sehr ressourcen- und energieintensiv und das Beheizen von Wohnungen mittels Gas oder Öl stellt eine der größten CO2-Belastungen dar. Hierzu folgende Grafik:

Wenn ihr hier einen Einfluss habt, verbessert die Dämmung, nutzt andere Heiztechnologien und reduziert eventuell eure Raumtemperatur bzw. passt diese an eure tatsächliche Nutzung an. Mehr dazu bei co2online.de und mein-klimaschutz.de. Ein großer Hebel ist natürlich auch eure Wohnfläche. Und an dieser Stelle gilt: Mehr Konsum führt oft dazu, dass größere Wohnungen bezogen werden, um Platz für die ganzen gekauften Dinge zu schaffen. Ein sich selbst verstärkender negativer Feedback-Loop.

Geld als Wahlzettel betrachten

Mir ist an dieser Stelle noch wichtig, dass es sich lohnt, sich zu überlegen, an welcher Stelle der ausgegebene Euro den größten Einfluss hat. Denn du kannst diesen Euro nur einmal ausgeben. Frage dich also: Wird hier eine neue Branche gestärkt? Entsteht hier ein Trend, der durch meine Entscheidung vielleicht näher Richtung Mainstream rutschen kann? Und ist die versprochene Wirkung auch messbar und belegt?

Und natürlich mein Plädoyer: Schaut euch die Zahlen an. Ihr könnt auf noch so viel Fleisch verzichten, wenn ihr danach einen Transatlantik-Flug mit 3,6 Tonnen CO2-Emissionen (FRA – JFK hin und zurück, berechnet mit atmosfair) bestreitet, ist euer Jahres-Budget von ca. 2,5 Tonnen CO2 erschöpft. Das heißt nicht (!), dass es nicht trotzdem sinnvoll ist, einzelne Dinge zu tun, auch wenn man nicht in allen Bereichen perfekt ist. Wir müssen irgendwo anfangen und jeder Schritt in die richtige Richtung verändert die Welt. Man sollte nur seinen Einfluss kennen und die Wirkung nicht überschätzen. Dennoch: Ohne persönlichen Werte-Wandel wird es nicht gehen. Wir brauchen gesellschaftliche Vorbilder, die zeigen, dass Nachhaltigkeit kein bitterer Verzicht ist, sondern trotzdem eine hohe Lebensqualität möglich ist. Die Minimalismus-Bewegung spielt hier eventuell eine große Rolle, da sie einen nachhaltigeren Lebensstil mit der Rückbesinnung auf die wichtigen Dinge (Familie, Freunde, Gesundheit, Sinn) verbindet. Und das oberste Ziel ist dabei nicht der Verzicht selbst, sondern das bessere Leben durch Entschleunigung, weniger Stress durch weniger Besitz usw. usf.

Überlege dir einfach wofür du dein Geld ausgibst, denn mit jedem Euro, den du an eine Firma zahlst, triffst du eine Entscheidung:

Jeder Euro ist eine neue Wahl – für oder gegen Nachhaltigkeit.

Endlich: Eine Liste!

Erstmal ganz wichtig: Such nicht nach der perfekten Lösung. Die gibt es nicht und du wirst dich an einen neuen Lebensstil herantasten müssen. Daher empfehle ich dir meiner Lieblings-Philosophie zu folgen:

Just do it! Fang einfach an.

Hier kommt die ungeschönte Liste mit einer ungefähren Abstufung nach Dringlichkeit und persönlicher Wirksamkeit:

  • Sorge für politische Entscheidungen für mehr Nachhaltigkeit – a.k.a. „wählen gehen“
  • CO2-Emissionen reduzieren:
    • Wohnfläche, Hausdämmung & Energiesparen
    • Stromanbieter wechseln
    • Persönliche Mobilität auf den Prüfstand stellen
    • Fernreisen reduzieren
  • Boden und Artenvielfalt schützen: Bio-Lebensmittel kaufen.
  • Wo arbeitet dein Geld für wen? Überlege dir einen Bankwechsel zu einer nachhaltigen Bank.
  • Weniger konsumieren & Lebenszyklus von Geräten durch Pflege & Reparatur verlängern.
  • Faire Arbeitbedingungen fördern:
    • Kaufe fair gehandelte Produkte.
    • Achte bei deinem Konsum generell auf gute Produktions- und Arbeitsbedingungen
  • Alternativen stärken: Unterstütze Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren, eine guter Mitarbeiterpolitik haben und sich um mehr als ihren Gewinn sorgen. Informiere dich z.B. vor einem Kauf mit einer kurzen Google-Recherche über den Hersteller.
  • Reduziere deinen Fleischkonsum
  • Kaufe regional, aber sei vorsichtig! Nur weil etwas aus der Nähe kommt, ist es nicht zwangsweise besser. Hier sind immer Abwägungen nötig.

– Ende –

Ich hoffe, dir hat der Artikel gefallen! Wenn du es so weit geschafft hast, hast du hoffentlich ein paar Impulse mitgenommen. Wie immer gilt: Ich freue mich über positives sowie kritisches Feedback zu meinen Beiträgen. Schreib mir gerne direkt jetzt eine Mail an nils [at] nachhaltigkeit-verstehen.de


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